Kateryna Kravchenko

Kateryna Kravchenko (geb. 1999) ist eine ukrainische Jazzsängerin und Komponistin. Im Alter von 18 Jahren zog sie nach Deutschland und begann ihr Studium in Jazzgesang an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden, in der Klasse der Professorin Céline Rudolph. Kurz darauf gründete Kateryna eine Band zusammen mit Musikern aus Brasilien, Polen und Deutschland, mit der sie ihre Debüt-EP „Stories“ veröffentlichte. Von 2020-2023 war Kateryna Mitglied im Bundesjazzorchester (BuJazzO). Bei ihren Auftritten experimentiert sie mit ungewöhnlichen Metren und Harmonien und kombiniert Musik verschiedener Genres. Nähere Informationen unter https://katerynakravchenko.com.

Am 20.08.2023 trat Kateryna in der Elbphilharmonie Hamburg auf, hier gehts zur Konzertkritik.

Ein aktuelles Lieblingsprojekt von Kateryna ist ihre Zusammenarbeit mit dem Vibrafonisten Arthur Clees. Gemeinsam traten sie im Oktober 2023 beim Jazz Juniors Competition 2023 in Krakow, Polen, auf. Hier ein Live-Mitschnitt.

Kateryna Kravchenko

Musikalische Verständigung zwischen den Kulturen

Als Musikerin hat Kateryna Kravchenko ihre Sprache gefunden. „Ich war immer schon ambitioniert, habe früh den Jazz für mich entdeckt und spiele gerne live“, sagt die 25-Jährige. Seit September 2022 wird die junge Musikerin von der Grizzly Jazz Foundation als Stipendiatin gefördert – ein Glücksfall für beide Seiten.

Die musikalischen Anfänge von Kateryna Kravchenko liegen in der Ukraine, wo sie 1999 in der Nähe von Odessa geboren wird. Die ersten Erfahrungen am Klavier und beim Chorgesang sind noch klassisch geprägt. „Dann habe ich die Welt des Jazz entdeckt. Auf YouTube lernte ich Ella Fitzgerald kennen und war begeistert von ihren Gesangsimprovisationen.“ Mit 14 zieht sie in die Großstadt Odessa, studiert dort Populäre Musik, spielt im Ensemble und lernt zu improvisieren. „Es gab ein großes Kulturangebot und ich habe mir so viel angeschaut und angehört, wie ich konnte. Neben Musik auch Tanz, Theater, Bildende Kunst und Literatur. Ich finde es wichtig, die Kunstgattungen nicht so streng voneinander zu trennen, man sollte eher die Verbindungen suchen.“

Jazz wird an der Musikhochschule in Odessa allerdings nicht angeboten. Klassische Musik sei die einzig wahre Kunst, so das vorherrschende konservative Credo. Für Kateryna Kravchenko wird diese Welt schließlich zu klein, nach vier Jahren wechselt sie an die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden. 2018 beginnt sie dort Jazz, Rock, Pop Gesang und Komposition zu studieren. Als ausländische Studentin muss sie keine Hochschulgebühren zahlen und auch die Grundlagen der deutschen Sprache hat sie bereits in der Ukraine gelernt, aber leicht ist der Anfang dennoch nicht. „Ich hatte keine Freunde, keine Familie, es war ein anderes Land mit anderer Sprache. Da war ich froh, dass man mit der Musik oft viel besser als mit Worten kommunizieren kann.“

In Dresden kann Kateryna Kravchenko ihre künstlerische Persönlichkeit weiter entwickeln. Ihr Streben nach kulturübergreifender Verständigung durch Musik als wichtiges Motiv ihrer Arbeit zeichnet sich ab. Gemeinsam mit Studienfreunden gründet sie das international besetzte Kateryna Kravchenko Quartett. Die Band gewinnt 2019 den Kammermusikpreis in der Kategorie Jazz des Ensemblewettbewerbs der Hochschule und bringt ihre Debüt-EP „Stories“ heraus. Hier fließen Einflüsse aus slawischer Volksmusik, die Ästhetik großer Jazzsängerinnen wie Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan, sowie harmonische und rhythmische Konzepte des zeitgenössischen Jazz zusammen. Kravchenko singt auf Ukrainisch, Polnisch und Englisch.

Kateryna Kravchenko will die Welt sehen, neue Erfahrungen sammeln. Sie bewirbt sich erfolgreich um einen Platz im Bundesjazzorchester  – aus dem die Grizzly Jazz Foundation auch ihre Stipendiat:innen auswählt – und spielt dort von 2020 bis 2022. Mit dem Erasmus-Programm verbringt sie ein Austauschjahr am Royal College of Music in Stockholm. Als in ihrem Heimatland im Februar 2022 der Krieg ausbricht, fühlt sich das unwirklich an. „Die friedliche, pittoreske Situation auf dem Campus und das Wissen um den Krieg passen nicht zusammen“, sagt sie und bietet Hilfe an, wo sie gebraucht wird. Sie engagiert sich für geflüchtete Ukrainer:innen und unterstützt mit Benefizkonzerten. Ein Highlight ist Ihr Einsatz bei dem von der Grizzly Foundation  organisierten „ United for Ukraine“ Konzert, bei dem Sie an der Seite von der Jazzchoryphäe Lars Danielsson auftrtitt. „Als Künstlerin hier in Deutschland fühle ich mich privilegiert. Wer, wenn nicht wir, kann die ukrainische Kultur unterstützen?! Kultur ist identitätsstiftend, denn ohne sie vergisst man, wer man ist.“

Seit Januar 2023 arbeitet sie mit Arthur Vincent Clees aus Luxemburg zusammen. Er studiert Komposition mit Nebeninstrument Vibraphon. „Gesang und Vibraphon ist eine spannende Kombination. Wir spielen Standards in neuer Art und probieren einfach viel aus. Improvisation und Komposition, das ist Rhythmus mit Worten und Musik. Wir nutzen unterschiedliche Mittel, zum Beispiel auch aus der Oper und setzen sie in Jazz um. Sehr spannend finde ich den Moment der Überraschung, im Text oder in der Vortragsweise, in dem man in eine andere Richtung als die erwartete geht.“

Dass sie auf einem authentischen, für sie richtigen Weg ist, erlebt Kateryna Kravchenko im Sommer 2023. Sie hat sich für das Programm „Betty Carter‘s Jazz Ahead“ beworben, in dem 16 Musiker:innen aus der ganzen Welt für zwei Wochen in Washington D.C. zusammenkommen. „Man konnte sich als Performer und Komponist vorstellen mit persönlicher Musik und Arrangements. Wir haben Musik von heute gemacht und ich erlebte, dass meine musikalische Sichtweise legitim ist.“ Fast wären die Reisepläne in die USA noch vor dem Start gekippt, denn die Musikerin hatte zwar die Zusage und die Tickets in der Tasche, aber noch kein Visum. „Die Grizzly Foundation hat dann geholfen und Mails an die Botschaft geschrieben. Einen Tag vor Abflug kam das Visum. Nach dem Programm war ich noch eine Woche in New York, habe mich inspirieren lassen. Das wäre ohne die Unterstützung der Jazz Foundation nicht möglich gewesen. Ich konnte mir auch praktische, wichtige Dinge wie ein gutes Mikrofon und ein Effektgerät anschaffen. Die Stiftung hat dann ein Coaching organisiert in Hamburg mit Tina Heine, die das ELBJAZZ Festival gegründet und viel Netzwerk-Erfahrung in der Jazz-Szene hat. Es ging dabei um Zukunftsperspektiven, das war sehr wichtig für mich. Mir ist klar geworden, dass ich mich nicht anpassen muss an das, was gehört wird. Es geht vielmehr darum, dass ich so authentisch wie möglich bleibe.“

Im Oktober 2023 können Kateryna Kravchenko und Arthur Clees beim International 47th Jazz Juniors Competition in Krakau den Grand Prix gewinnen. Jetzt soll bald ihr Debüt-Album erscheinen. „Das Album – der Arbeitstitel heißt ‚Faces‘ – nehmen wir in Berlin auf mit Wanja Slavin als Producer. Es soll eine runde Sache werden mit einer großen Geschichte, die in kleinen Stücken erzählt wird. Ich habe Gedichte gewählt in englisch, deutsch und ukrainisch, darunter zum Beispiel ‚Manchmal‘ von Hermann Hesse.“ Konzerte werden geplant, darunter auch wieder ein Benefizkonzert für die ukrainische Heimat. Ihren Bachelor an der Hochschule wird Kateryna Kravchenko ebenfalls mit einem Konzert beenden. Pläne für den Master gibt es auch, „aber vielleicht noch nicht 2024“.

 

https://www.katerynakravchenko.com